Clubszene unter Druck - Doku 01.02.2012

Gut einige der Beispiel sind nicht gerade auschlaggebend für die wirkliche Berliner Szene allerding ist der Ansatz umso hervorragender. Wenn man genau drauf achtet ist es tatsächlich spürbar was sich die Stadt Berlin wirklich als Langzeitolge durch die Vertreibung der Clubs antut und irgendwie sind sicherlich schon die meisten mit dem Thema  in die Berührung gekommen. Schade, einige der Volksvertreter scheinen eher ein Auge für den kurzfirstigen  Wirtschaftlichserfolg zu haben. Diese Damen und Herren sind aber scheinbar nicht in der Lage auch langfristig für die Stadt zu planen und zerstören damit mehr und mehr eines  von Berlins großen Markenzeichen nur für eine erfolgreiche Wiederwahl oder etwas mehr Geld.


Original: Mi 01.02.12 22:15 rbb - online | Archiv


Clubszene unter Druck - 
Berlin will sexy sein, aber bitte ohne Nebenwirkungen!







Die international gefeierte Berliner Clubkultur hat sicherlich den wundersamen Aufstieg der Stadt auf vielen Gebieten gefördert - Tourismus, Musikindustrie, Modebranche und sogar die Wirtschaft insgesamt profitieren davon. Dennoch scheint die an althergebrachter Industrie- und Kulturförderung orientierte Politik nicht so richtig zu wissen, was sie an dieser Szene hat. Denn: Auch wenn der Senat ein Musicboard unter anderem für die Belange der Clubs einrichten will, so bleibt es doch noch immer eher bei Ankündigungen - während die Clubs um ihr Überleben kämpfen und häufig aus attraktiven Stadtteilen verdrängt werden.
Heute wird in Berlin so viel und wild gefeiert wie seit den berühmten 20er Jahren nicht mehr. Allerdings ist die Partykultur akut bedroht. Ein angesagter Laden nach dem andern muss schließen oder ist zumindest gefährdet. Jüngstes Beispiel: der Club der Republik in Prenzlauer Berg. Heute begann der Abriss. Obwohl das Hauptstadt-Nachtleben maßgeblich zum Weltruhm Berlins beiträgt, scheinen oder wollen viele Politiker die Notlage im Nachtleben nicht erkennen. Dabei sind es oft nur Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob man weiter ausgeht oder langsam ausblutet. Helge Oelert.


Eine Hinrichtungsszene im Prenzlauer Berg. Künstler protestieren mit dieser drastischen Performance gegen eine Politik, die ihrer Meinung nach die Kultur in Berlin zur Strecke bringt. Jüngstes Opfer: der Klub der Republik - seit zehn Jahren eine Institution im Prenzlauer Berg, seit gestern geschlossen. Doch das lässt den zuständigen Stadtrat für Stadtentwicklung kalt.


Jens-Holger Kirchner (Bü 90/Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung, Pankow
„Die Clubs kommen und die Clubs gehen. Anfang der 90er war hier kein Club. Die sind dann alle entstanden und jetzt gehen sie mal wieder weg. Und die kommen hoffentlich wieder.“


Auch der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg ist ein Grüner. Doch Franz Schulz begreift die Clubs als Teil der Kultur – und hat eine Erklärung, warum nur so wenige seiner Kollegen die Szene zu schätzen wissen.


Franz Schulz (Bü 90/Grüne), Bürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg
„Dort, wo sie selbst hin gehen, zu der Kultur, die sie gut finden, die unterstützen sie auch. Und ein 50-jähriger Politiker oder eine 50-jährige Politikerin geht doch nicht in die Clubs… die kennen sie nur aus der Berichterstattung.“


Und dass sie sich nicht auskennen, hat schwerwiegende Folgen. Allein im einst für seine Subkultur bekannten Prenzlauer Berg sind in den vergangenen Jahren fast alle innovativen Klubs verschwunden oder bedroht.


Der Magnet-Club - einem Biomarkt gewichen,
die Hechtbar im Prater- wegen Anwohnerbeschwerden dicht,
der Sodaclub in der Kulturbrauerei - aus Lärmschutzgründen bedroht,
das Icon - nach jahrelangen Auseinandersetzungen wegen Ruhestörung: Ende vergangenen Jahres geschlossen.
Genau wie der Knaackclub, der den real existierenden Sozialismus samt Wende überlebte, und nach fast 59 Jahren von Käufern benachbarter Eigentumswohnungen weggeklagt wurde.


Wenn die Politik nicht eingreift, droht der gesamten Innenstadt das Schicksal des Prenzlauer Bergs, weil Investoren die Szene vertreiben, fürchten die Vertreter der Clubs.


Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission
„Die Szene wird sich irgendwo sammeln, wahrscheinlich am Rande der Stadt, da, wo noch Mieten bezahlbar sind, um Ateliers aufzubauen, um Clubs zu betreiben, um Veranstaltungen durchzuführen. Sie werden aus der Mitte der Gesellschaft verschwinden, das ist, glaube ich, der Prozess, der in gewissen Kiezen schon eingeläutet wurde.“
KLARTEXT
„Und was macht das, wenn sie an den Stadtrand ziehen?“
Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission
„Diese Szene gehört in die Mitte der Stadt, die gehört in die Innenstadt, das ist der Puls der Stadt.“


Tatsächlich ist es Teil des Erfolgsrezepts der Berliner Clubs, dass sie über die Innenstadt verteilt sind und dennoch auf kurzen Wegen erreichbar. Auch für die Berliner Wirtschaft ist das von großer Bedeutung: Mit 170 Millionen Euro Umsatz im Jahr und 10.000 Beschäftigten sind die messbare Zahlen zwar eher überschaubar. Viel wichtiger aber sind die Einflüsse auf andere Branchen. Offensichtlich ist das im Tourismus.


Die Stadt wirbt international mit ihrem Nachtleben, wie in diesem Imagefilm.


Burkhard Kieker, visitBerlin
„Aus der Marktforschung wissen wir, dass 35 Prozent aller Besucher das Nachtleben, also unter anderem die Clubszene, als Besuchsgrund für Berlin angeben. Das zeigt, wie wichtig das ist.“


Noch entscheidender aber sind die Ausstrahlungseffekte für andere Bereiche. So würde Berlin seine Attraktivität für die Mode, aber auch für Musik, Kunst, Design und selbst für Informationstechnologie kaum halten können ohne international anerkannte Clubs. Sie sind ein Standortvorteil, sagen Wissenschaftler, und ihr Verlust könnte für die Volkswirtschaft heute sogar schwerwiegender sein als der manch herkömmlicher Industrieproduktion. Doch Viele denken in überalterten Strukturen.


Prof. Oliver Ibert, Wirtschaftsgeographie der FU Berlin
„Die kausalen Zusammenhänge sind natürlich nicht unmittelbar, also zunächst mal verliert man nur ein paar schlecht bezahlte Arbeitsplätze und es ist ja auch nur das Entertainment der Jugend, das wirkt auf den ersten Blick nicht besonders wichtig im Vergleich zu einer BioTec-Firma oder im Vergleich zum Produktionsstandort, wo mehrere tausend Arbeitsplätze In Gefahr sind. Das kann natürlich ‘ne Ursache dafür sein, dass es zunächst einmal nicht so dramatisch scheint.“


Verantwortliche glauben offenbar, die Entwicklung am besten zu fördern, indem sie einkommensstarke Wohnungskäufer anlocken. So wurde manche Baugenehmigung mit zu wenig Auflagen erteilt, siehe Knaackklub.


KLARTEXT
„Warum hat man da nicht zum Beispiel den Leuten, die hingezogen sind, so eine Auflage gemacht, dass man sagt: Wenn ihr hier hin zieht, wo der Club ist, dann müsst ihr dafür sorgen, dass ihr nicht gestört werdet vom Lärm. Und nicht umgekehrt.“
Jens-Holger Kirchner (Bü 90/Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung, Pankow
„Beim Knaackclub ist ‘ne Gemengelage hoch und runter, die höchste kompliziert ist, weil – da geb‘ ich Ihnen recht – weil, die Architekten des Nachbarhaus hätten wissen müssen, dass da ein Club ist nebenbei und die hätten auch bitteschön die Brandschutzwand nicht an das Haus, da gibt’s ja Schallbrücken, bauen müssen, und dann ist es aber passiert…“


Die Architekten sollen also die Schuld sein – hier wird die eigene politische Verantwortung nicht ernst genommen. Dass es auch anders geht, wenn man im Detail und vorausschauend nach Lösungen sucht, zeigt Kirchners Parteifreund aus Friedrichshain-Kreuzberg. Hier drohten Probleme mit dem Watergate-Club, aber mit etwas Nachdenken fand er eine Lösung.


Franz Schulz (Bü 90/Grüne), Bürgermeister Friedrichshain-Kreuzberg
„Der Eigentümer begann dann zu überlegen, Wohnnutzung da rein zu nehmen, unmittelbar Wand an Wand, was zu erheblichen Konflikten geführt hätte, und wir interveniert haben bei dem Nachbarn, die Wohnnutzung nach ganz weit oben zum Dach hin zu ziehen, so dass keine Wohnnutzung direkt zum Watergate existiert, und haben ihn dazu gebracht. eine Lärmschutzwand einzubauen, so dass wirklich sicher gestellt ist, dass es zu keinen Nutzungskonflikten kommt.“


Selbst die CDU – bislang nicht gerade als investorenkritisch bekannt – fordert mehr Toleranz gegenüber den Clubs.


Christian Goiny (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses
„Wir haben in einigen Innenstadtbezirken natürlich eine Menge Menschen, die in letzten Jahren dazu gezogen sind, die kommen aus kleineren Städten, die kommen aus ländlichen Gegenden, die finden Berlin spannend und attraktiv und darüber freuen wir uns, aber die haben natürlich auch eine andere Erfahrung gemacht, was eben Nachtruhe angeht, was eben Lärm in einer Stadt anbetrifft, und da ist ein Spannungsfeld entstanden, und ich glaube, da müssen wir uns auch mal mit beschäftigen, und wir müssen mit den Berlinerinnen und Berlinern diskutieren, ob es in einer Metropole nachts auch mal ein bisschen lauter sein darf an der ein oder anderen Stelle.“


Und der neue Senat? Reagiert mit Absichtserklärungen: Ein Musicboard soll vielleicht auch irgendwann mal die Clubs vertreten, vor allem aber ist man mit sich zufrieden und wehrt ab.


KLARTEXT
„Besteht nicht die Gefahr, dass Berlin jetzt in dem Zuge, dass es reicher wird, nicht mehr sexy bleiben kann, zum Beispiel….“
Richard Meng, Staatskanzlei
„Berlin ist sexy, sonst würde es nicht so ‘ne riesen Nachfrage geben…“
KLARTEXT
„Ja noch, aber vielleicht verliert es gerade diesen Status…“
Richard Meng, Staatskanzlei
„Ich sehe das nicht, ich halte die Nachfrage und das Image von Berlin bundesweit und international für so interessant, ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind und deswegen sind wir guten Mutes, dass das so bleibt. Es wird sich verändern die Szene, aber sie wird sexy bleiben, ich glaube, das ist Berlin eigen.“


Die Freunde des „Klub der Republik“ haben ihre Kultur am Wochenende zu Grabe getragen. Auf dem Plakat stand: „Erst wenn die letzte Eigentumswohnung gebaut, der letzte Klub abgerissen und der letzte Freiraum zerstört ist, werdet ihr feststellen, dass der Prenzlauer Berg die Kleinstadt geworden ist, aus der ihr einmal geflohen seid.“




Autor: Helge Oelert
Dieser Text gibt den Sachstand vom 01.02.2012 wieder. Neuere Entwicklungen sind in diesem Beitrag nicht berücksichtigt.

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